Fördert Alice Schwarzers Emma den Frauenhandel?

Alice Schwarzer und ihre KumpanInnen tun gern so, als würden sie sich für die Interessen der Frauen einsetzen. Auch ihre „No Prostitution“-Kampagne soll natürlich nur den Frauen zugutekommen. Nach Alice Schwarzers Annahme ist es ja geradezu undenkbar, dass sich auch nur eine einzige Frau freiwillig dazu entscheidet, auf diese Art und Weise ihr Studium oder ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Amnesty International (AI) hat seit neustem eine etwas andere Haltung zur Prostitution und fordert deren Legalisierung. Nicht erst seit Al Capone wissen wir, dass sich über eine Prohibition hauptsächlich einer freut: Der Kriminelle, der bereit ist, die verbotene, und damit umso verlockendere Frucht gegen einen massiven Aufschlag dennoch zu liefern. Seien das nun Alkohol, Glückspiel, Marihuana oder eben die Dienstleistung Sex. Es wird schon seinen Grund haben, weshalb die Mafia nie mit Tomaten gehandelt hat (von Geldwäsche-Aktivität mal abgesehen).

Die Argumente von Amnesty International sind durchaus plausibel:

  1. Bei der Recherche sei klar herausgekommen, dass Prostituierte in jenen Ländern, in denen das Gewerbe verboten ist, deutlich mehr unter Gewalt, Ausbeutung und Stigmatisierung litten.
  2. Prostituierte aus Ländern, in denen die Sexarbeit verboten ist, berichteten der Menschenrechtsorganisation von Übergriffen seitens der Polizei. Sich der Polizei anzuvertrauen, Menschenhändler oder Zuhälter anzuzeigen, sei in einem solchen Klima unmöglich.
  3. Die Entkriminalisierung von Sexarbeit hätte einen sehr großen Einfluss auf die weltweite HIV-Ansteckungsrate: „Es könnten 33 bis 46 Prozent der Neuansteckungen im kommenden Jahrzehnt abgewendet werden.“
  4. Amnesty stärke mit dem neuen Kurs langfristig die Frauenrechte. „Prostitution ist erfahrungsgemäß durch Verbote nicht aus der Welt zu schaffen, vielmehr wird sie dadurch nur mehr in den Untergrund getrieben.“
  5. „In der Illegalität ist der Ausbeutung von Prostituierten Tür und Tor geöffnet. Sie haben kaum eine Chance sich zu wehren.“

Faszinierend ist, was EMMA daraus macht:

Amnesty will Zuhälter schützen!

„Da in unseren Breitengraden Prostituierte schon lange nicht mehr verfolgt bzw. bestraft werden, sondern es vor allem um ihren Schutz vor der Ausbeutung durch Menschenhändler, Zuhälter und Bordellbetreiber geht, bedeutet das: Die Menschenrechtsorganisation, die betont, es ginge ihr um die Entkriminalisierung “der Organisation von Sexarbeit” will ausgerechnet diejenigen, die Milliarden an dem Handel mit Frauen verdienen, vor Bestrafung schützen.“

Mit der gleichen Logik rechtfertigt sich übrigens auch meine Überschrift, denn durch ihre Verbotsforderung unterstützt Emma nur die Abhängigkeit der Prostituierten von illegalen „Beschützern“, die einen Großteil der Einnahmen kassieren, weil Prostituierte in einer Gesellschaft, die Prostitution verbietet, wesentlich abhängiger von „Beschützern“ sind – etwa zur Durchsetzung von Forderungen gegenüber Freiern. Es mutet doch sehr naiv an, davon auszugehen, dass solche Probleme mit dem Verbot der begehrten Dienstleistung einfach verschwinden.

Während Frau Schwarzer in der Presse erstaunlicherweise vor allem von Frauen für ihre Haltung kritisiert wird, bekommt die Emma erstaunlicherweise diesmal Unterstützung aus ganz anderer Ecke. Die sonst eher Feminismus-kritische Journalistin Birgit Kelle schlägt sich angesichts des positiven Kommentars von Sophie Elmenthaler in der Zeit hier mal auf Alices Seite:

„Ich glaube nicht an die glückliche Prostituierte.“

Ob es nun „glückliche Huren“ gibt, ist vermutlich eine Frage, die für die Sinnhaftigkeit der Amnesty-International-Forderung wenig relevant ist. Denn es gibt viele Jobs, bei denen der Anteil an glücklichen Arbeitnehmern ebenso gering sein dürfte, ohne dass wir über deren Verbot nachdenken. Sicherheitsleute, Boulettendreher bei McDonalds, Nachtwächter oder Klofrau sind sicherlich alles Berufe, welche die meist für den Mindestlohn schuftenden Arbeitnehmer nicht machen, weil diese Jobs Erfüllung und Glück verheißen, sondern um den Lebensunterhalt zu finanzieren . Zum größten Teil wählen diese Menschen solche Jobs, weil ihre Ausbildung ihnen keine Alternativen am Arbeitsmarkt lässt.

Für einige Damen und Herren ist Prostitution da offensichtlich eine attraktive Alternative. Und diese Menschen in die Illegalität zu treiben, wird vermutlich wenig an ihren Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt ändern und somit auch nicht unbedingt in ihrem Interesse sein.

Anders lässt sich der Hurenprotest bei Alice Schwarzers 2013er-Lesung Prostitution – ein deutscher Skandal wohl nicht erklären, ohne in den Dunstkreis der Verschwörungstheoretiker zu geraten.

Selbst Tanja Rahm hatte sich freiwillig für diesen Job entschieden, auch wenn sie es für nötig hielt, jenen Menschen, die ihr zehn Jahre zuvor das Studium finanziert hatten, vorbal vor die Füße zu kotzen.

„Das Einzige, was mich beschäftigt hat, war, schnelles Geld zu verdienen.“

So fasst Tanja Rahm ihre Motivation griffig zusammen. Und selbstverständlich kann ich als Vater verstehen, dass es einem peinlich ist, wenn die Kinder zehn Jahre später im Internet von so einem „Studentenjob“ erfahren. Es ändert aber nichts daran, dass sie sich ihr Studium, wie soviele andere auch weniger zweifelhaft hätte verdienen können. Stattdessen hat sie sich frei entschieden, die Miete auf schnelle Art und Weise zu verdienen.

Ich finde es faszinierend, wenn „Frauenrechtlerinnen“ patriarchale Moralvorstellungen als Argumentationshilfe verwenden und Feministinnen und Konservative hier argumentativ so schön Hand in Hand gehen. Sophie Elmenthaler bringt das auf den Punkt:

„Da ist er wieder, der schmutzige Sex. Frauen, die mit vielen verschiedenen Männern Sex haben, sind unmoralisch. Und es begäbe sich doch keine freiwillig auf Schlampenniveau herab, das kann nur Zwang sein. Seltsamerweise ist genau diese Einteilung von Frauen in ,Schlampen‘ und ,anständige Mädchen‘ ein wichtiges Machtinstrument in patriarchalen Gesellschaften, um die Sexualität von Frauen zu kontrollieren. Es ist ein sexistisches Argument. Dass sich nun Organisationen für Frauenrechte seiner bedienen, ist wenig überzeugend und umso ärgerlicher.“

Frau Kelle ist da immerhin ehrlich konservativ und beschreibt ihre durchaus nicht unverständliche persönliche Abneigung gegen die Prostitution wie folgt:

„Ich kann der Rotlicht-Romantik des angeblich ältesten ,Gewerbes‘ der Welt nichts abgewinnen, seit ich als 20-Jährige nachts in Amsterdam die rot beleuchteten Schaukästen bestückt mit lebender Ware gesehen habe, an denen das Publikum gaffend vorbeizieht.“

Kann ich auch nicht, liebe Frau Kelle, aber ich kann auch Zigarettenrauch, Alkoholkonsum, und kapitalistischem Statussymbolgehabe wenig abgewinnen. Das heißt nicht, dass ich nach Guttemplerart allen anders denkenden Menschen ihr Vergnügen und ihr Laster verbieten muss. Man gehe einmal abends über die Reeperbahn und erlebe die jungen Damen um die 20, wenn sie versuchen, einen potenziellen Kunden zum Mitkommen zu überreden – in anderen Dienstleistungs-Branchen wird man vermutlich selten so entgegenkommende und überzeugende Menschen finden wie hier.

Klar kann man unterstellen, dass die das alle nur machen, weil sie Angst haben, von ihrem Zuhälter Schläge zu kassieren. Aber dann sollte man die Vermittlung in diesem Gewerbe vielleicht strenger reglementieren, statt die ausführenden Damen zu illegalisieren. Und angesichts der Tatsache, dass die Schaufenster in der Hamburger Herbertstraße (wo man das Gegenstück zu den von Frau Kelle erwähnten Schaukästen in Amsterdam findet) nicht billig und sehr begehrt unter den Damen sind, mag man eine solche „Shoppingmeile“ zwar befremdlich finden, aber wenn man „glückliche Huren“ sucht, hat man dort womöglich am ehesten die Chance, fündig zu werden.

Auch das Problem der Zwangsprostitution in Privatwohnungen spricht Birgit Kelle in ihrem Artikel an.

„Seit Prostitution bei uns legal ist, haben die Beamten noch mehr Schwierigkeiten, den Opfern von Schlepperbanden zu helfen. Genaugenommen kommt sie ohne konkreten Verdacht gar nicht mehr an diese Frauen ran, weil unser wunderbares Gesetz beispielsweise Frauen, die in Privatwohnungen zwecks Zwangsprostitution festgehalten werden, nicht mehr schützt.“

Dieses nicht zu leugnende Problem lässt sich sicherlich mit Gesetzesanpassungen eher in den Griff bekommen als mit einem Generalverbot.

Das gemeinsame Sorgerecht schaffen wir auch nicht ab, weil es manchmal durch stalkende Ex-Partner missbraucht wird, um die Ex-Partnerin zu gängeln, sondern wir versuchen Regelungen zu finden, wie ein solcher Missbrauch unterbunden wird.

Frau Elmenthaler bringt es sehr schön auf den Punkt:

„Wenn eine Frau Sex für Geld anbieten möchte, soll sie es tun. Und wenn nicht, muss sie die Möglichkeit haben, sich dagegen zu wehren, ohne moralisch und rechtlich dafür verurteilt zu werden. Dasselbe gilt für Freier: Kaufen sie wissentlich Sex von einer Zwangsprostituierten, sind sie Vergewaltiger und müssen bestraft werden. Aber einvernehmlicher Sex gegen Geld sollte möglich sein.“

Die Kritiker im SZ-Artikel verkünden im Brustton der Überzeugung:

„Eine Gesellschaft, … die die Unterwerfung der Frau in Form einer Erotisierung inszeniert, sei zutiefst frauenfeindlich.“

Dann stellt sich die große Frage: Wo wollen wir die Grenze ziehen?

Wird eine Mätressenbeziehung künftig auch verboten? Nach Wikipedia handelt es sich dabei schließlich um ein „ein prostitutionsnahes Dauerverhältnis eines mächtigen Mannes“.

Würden wir diese Moral konsequent durchziehen, müssten wir jede Ehe, die mit einem ernstzunehmenden wirtschaftlichen Interesse geschlossen wird, im Kampf gegen die Frauenfeindlichkeit verbieten. Wo kämen wir denn hin, wenn eine Frau entscheiden darf, dass sie lieber ihre körperlichen Vorzüge für ein lukratives Auskommen einsetzt als ihre Berufsausbildung? Um Bigit Kelles Bild von der Hausfrauenprostitution aufzugreifen: Letztlich wäre jede Hausfrauenehe, die der Frau bessere Lebensumstände verschafft als sie mit eigener Erwerbsarbeit bewerkstelligen könnte, nach dieser Argumentation frauenfeindlich, erst recht, wenn die Frau dabei von einem vorteilhaften Äußeren profitiert.

Wird künftig jede Ehe von Dieter Bohlen und Konsorten illegal?

Glaubt jemand ernsthaft, dass eine 22-Jährige einen 52 Jahre alten Mann erwählt, wenn dieser nicht Plattenmillionär oder ähnlich wohlhabend ist?

Ist es nicht ein ganz klein bisschen zweifelhaft, dass die damals 26-jährige Anne Nicole Smith, einen 89 Jahre alten Milliardär geheiratet hat, weil dieser so schöne blaue Augen hatte? Ob er als armer Schlucker bei ihr wohl eine Chance gehabt hätte?

Dass Menschen versuchen aus ihrer körperlichen Attraktivität monetäre Vorteile zu schlagen, ist leider älter als das „älteste Gewerbe“. Selbst bei Tieren findet man das.

Sex außerhalb einer festen Beziehung sei zu verurteilen? Wenig hilfreich ist es vermutlich in der Debatte, seine eigene katholische Verklemmtheit als Legitimation zu nehmen, um anderen dieses Verhalten zu verbieten. Wenn Alice und EMMA etwas gegen Schlepper und Frauenhändler tun wollen, sollten sie vielleicht mehr darüber nachdenken, wie man den Frauen, die sich für diesen Beruf entscheiden, wirklich helfen kann, sich von solchen Menschen zu lösen, statt reflexartig gegen jeden zu beißen, der eine andere Meinung über die generelle Legalisierung des Gewerbes hat.

Die Alkohol-Prohibition in den USA hat zu Bandenkriegen und Gewalt geführt. Das Wasser abgegraben hat den Verbrechern keineswegs ihre vehemente Bekämpfung, sondern die Aufhebung der Prohibition. Insofern sind die Argumente von Amnesty International nicht von der Hand zu weisen.

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